Und noch ein Spanier: „Der unsichtbare Gast“ von Oriol Paulo aus dem Jahr 2016, vom Regisseur von „The Body“. Überraschend guter Thriller, der erst am Ende seine Maske fallen lässt. Ohne viel Drama und Effekte verleiht allein die Geschichte dem Film seinen Ausdruck, ganz schnörkellos. Die Schauspieler brillieren, besonders Mario Casas und Ana Wagener. Es wird auch nicht gespoilert!
Um was geht’s?
Adrián, ein wohlhabender und verheirateter Geschäftsmann, wird von der Polizei in einem Hotelzimmer aufgefunden: im Bad die Leiche seiner Geliebten, er selbst gezeichnet von einer schweren Kopfverletzung. Alle Indizien sprechen gegen ihn, denn es gab keinerlei Hinweise, dass sich jemand unrechtmäßig Zugang zum Zimmer verschafft hat. Die Türe und Fenster waren verschlossen (davon abgesehen, dass das Hotel in einem der oberen Stockwerke eines Hochhauses liegt), keine versteckten Türen, kein Geheimgang und Nachbarn hörten Schreie, aber sahen niemanden das Zimmer verlassen. Der Fall scheint klar, aber Adrián beteuert seine Unschuld. Will er seinen eiskalten Mord vertuschen oder wurde er tatsächlich reingelegt und ist in die Falle getappt?
Zur Unterstützung holt sich Adrián Hilfe von der Star-Anwältin Virgina Goodman, die eigentlich kurz vor der Rente steht. Sie möchte aber noch diesen einen Fall erfolgreich übernehmen und ihrer Karriere anschließend beenden. Scheinbar hat sie einen Zeugen gefunden, der Adrián entlasten kann. Sie erarbeiten in einer Nacht eine neue Strategie für den Verhandlungstag – hierzu muss Virgina Goodman aber die ganze Wahrheit wissen und nimmt Adrián in die Verhör-Mangel. Warum hielt sich das Pärchen im Hotelzimmer auf, wie fing die Affäre an, hatte die Geliebte sie beendet?
Es gibt immer zwei Seiten – nur eine ist die Wahrheit
Es stellt sich heraus, dass Adrián – während er vorgab auf einer Geschäftsreise zu sein – sich stattdessen mit seiner Geliebten vergnügte. Als die beiden in Barcelona ein paar gemeinsame Stunden verbrachten, werden sie Zeuge eines tödlichen Wildunfalls des jungen Daniel Garrido. Die beiden vertuschen den Unfall aus Angst, dass die Affäre entdeckt wird und beseitigen alle Spuren. Kurze Zeit später begeben sich die Eltern des verschwundenen Daniels auf Suche nach ihrem Sohn.
Aus banalem Mord wird eine detailreiche Geschichte
Der Film enthüllt erst gemächlich seine Geschichte. Im Verhör mit Virginia Goodman reflektiert Adrián das Geschehene, das durch Rückblenden anschaulich verinnerlicht wird. Virgina ertappt ihn bei einer Lüge nach der anderen. Was ist die Wahrheit und was Lüge? Wie hängen der Unfall und der Mord an seiner Geliebten zusammen? Wie kann er von einer dritten Person verübt werden, wenn alle Zugänge verschlossen waren? Haben die Eltern des beim Unfall Verunglückten etwas mit all dem zu tun?
Der Trailer zu „Der unsichtbare Gast“
Angaben zum Film
Titel: Der unsichtbare Gast (Contratiempo)
Studio: Atresmedia Cine
Drehbuch & Regie: Oriol Paulo
Jahr: 2016
Länge: 110 Minuten
FSK: ab 12 Jahren
Schauspieler: Mario Casas, San Yélamos, Bárbara Lennie, Ana Wagener
Preis: ab 4,99 € (HD) auf Amazon Prime
Fazit: Nichts scheint wie es ist
Die Handlung des Filmes kommt anfangs etwas banal daher, durch Rückblenden gewinnt sie aber mehr und mehr an Detail und wird knifflig. Der Zuschauer merkt bald: eigentlich scheint nichts wie es ist – und behält damit recht. Glaubt man die Lösung und das Ende vorherzusehen, zeigen Wendungen im Film, dass man sich nie sicher sein kann. Das Locked-Room-Mystery Anfang der 2000er scheint noch längst nicht auserzählt zu sein. Anschauen lohnt sich allemal, ein gemütlicher Abend ist mit dem Film gesichert.